Laudatio bei der Verleihung des Bürgerpreises der deutschen Zeitungen

Schwerpunktthema: Bericht

13. März 2019

Elke Büdenbender hat am 13. März die Laudatio bei der Verleihung des Bürgerpreises der deutschen Zeitungen an das Ehepaar Ladenburger in Berlin gehalten.

Der Bürgerpreis der deutschen Zeitungen ging in diesem Jahr an das Ehepaar Friederike und Clemens Ladenburger. Die Jury, die aus allen Chefredakteuren der Mitgliedsverlage des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) besteht, würdigte mit der Auszeichnung die Entscheidung des Elternpaars, 2016 als Reaktion auf die Ermordung seiner jungen Tochter durch einen Flüchtling aus Afghanistan, eine Stiftung für Studierende einzurichten und so ein "Zeichen der Mitmenschlichkeit zu setzen". Elke Büdenbender zeigte sich tief beeindruckt von der menschlichen Größe, derer es bedarf, nach einem solchen Erlebnis dem Bösen mit etwas Gutem zu begegnen: der Maria-Ladenburger-Stiftung, die Marias zupackende Lebenseinstellung forttragen soll.

Der BDZV hat erstmals 2010 den Preis für herausragendes bürgerschaftliches Engagement ausgeschrieben. Als "Deutschlands Bürgerin/Bürger des Jahres“ werden Personen gewürdigt, die auch jenseits ihrer eigentlichen Profession Herausragendes für die Gesellschaft leisten.


Elke Büdenbender hat am 13. März die Laudatio bei der Verleihung des Bürgerpreises der deutschen Zeitungen an das Ehepaar Ladenburger in Berlin gehalten.

Der Bürgerpreis der deutschen Zeitungen ging in diesem Jahr an das Ehepaar Friederike und Clemens Ladenburger. Die Jury, die aus allen Chefredakteuren der Mitgliedsverlage des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) besteht, würdigte mit der Auszeichnung die Entscheidung des Elternpaars, 2016 als Reaktion auf die Ermordung seiner jungen Tochter durch einen Flüchtling aus Afghanistan, eine Stiftung für Studierende einzurichten und so ein "Zeichen der Mitmenschlichkeit zu setzen". Elke Büdenbender zeigte sich tief beeindruckt von der menschlichen Größe, derer es bedarf, nach einem solchen Erlebnis dem Bösen mit etwas Gutem zu begegnen: der Maria-Ladenburger-Stiftung, die Marias zupackende Lebenseinstellung forttragen soll.

Der BDZV hat erstmals 2010 den Preis für herausragendes bürgerschaftliches Engagement ausgeschrieben. Als "Deutschlands Bürgerin/Bürger des Jahres“ werden Personen gewürdigt, die auch jenseits ihrer eigentlichen Profession Herausragendes für die Gesellschaft leisten.

Ansprache von Elke Büdenbender:

Änderungen vorbehalten. Es gilt das gesprochene Wort.

Es sind laute Zeiten, in denen wir gerade leben. In Deutschland wie auch in anderen Ländern Europas und der Welt. Populisten übertönen allzu oft die leiseren Stimmen der Besonnenen. Im Internet und in den sozialen Netzwerken kann jede und jeder zu allem und jedem seine Meinung äußern. Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut, das wissen wir alle. Aber wenn die Meinung, von Hass genährt, unbedacht und andere verletzend und erniedrigend geäußert wird, ist eine Grenze überschritten, die in einer Demokratie nicht überschritten werden sollte.

Das ist die dunkle Seite.

Auf der hellen Seite, im Licht, strahlen uns Zahlen an, die uns beruhigen können und uns in dem Glauben bestärken, dass es die anderen Stimmen noch gibt. Ja, es gibt sie, sie sind nur leiser. Sie sind leiser, aber sie werden mehr. Wie Studien belegen , ist die Zahl der Mitgliedschaften in Parteien seit den 1990er Jahren zwar rückläufig. Aber das Engagement der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes in und jenseits der organisierten Zivilgesellschaft hat zugenommen. Die Zahl der neu gegründeten Vereine und Stiftungen steigt.
Der Bürgerpreis der deutschen Zeitungen wird in diesem Jahr an zwei dieser leiseren Stimmen verliehen: an Friederike und Dr. Clemens Ladenburger. Und das mehr als zu Recht.

Friederike und Clemens Ladenburger haben die Maria-Ladenburger-Stiftung gegründet. Diese Stiftung unterstützt Studierende mit Behinderung, mit plötzlichen Erkrankungen oder in schwierigen Lebenssituationen sowie ausländische Studierende bei deren Integration ins universitäre Umfeld. Sie vergibt Stipendien und unterstützt Studierende, die Praktika oder Famulaturen im Rahmen ihres Studiums in einem Entwicklungsland machen möchten. Und sie fördert Projekte von Studierenden in der Entwicklungsarbeit, vor allem im medizinischen Bereich.

Schauen wir zurück: Friederike und Clemens Ladenburger und ihre drei Töchter leben ein erfülltes, ein sonnenbeschienenes Leben. Seit 20 Jahren sind sie in Brüssel zuhause, alle Mitglieder der Familie engagieren sich dort in der deutschsprachigen katholischen Gemeinde. Neben dem Beruf unterstützen die Eltern zudem ehrenamtlich verschiedene soziale Projekte. Sie alle bejahen das Leben. Ihnen allen sind vom Leben Talente und Möglichkeiten geschenkt worden. Aber sie ruhen sich nicht darauf aus, sondern wollen weitere Möglichkeiten schaffen, und zwar für andere. Andere Menschen, die aus verschiedenen Gründen kein so gutes Leben führen können.

Diesen Lebensgeist trägt Maria Ladenburger auch noch fort, als sie im Oktober 2015 nach Freiburg geht, um dort Medizin zu studieren. Schon ihre Eltern haben dort studiert und auch ihre Großeltern. Maria liebt das Leben an der Universität in Freiburg, lebt im katholischen Wohnheim, engagiert sich in der Studierendengemeinschaft und findet viele neue Freunde. Maria hat die besondere Fähigkeit, sich anderen Menschen zuzuwenden, sie anzunehmen, wie sie sind und sie zu ermuntern, den Blick auf das Schöne im Leben zu richten. Sie ist für ihre Mitmenschen da. Und sie ist ein Sonnenschein für ihre Familie wie für ihre Freunde.

Wir alle hier im Raum wissen, was dann passierte. Wie das Dunkel in das Leben der Familie Ladenburger eindrang.

Der Bürgerpreis der deutschen Zeitungen geht heute an Friederike und Clemens Ladenburger, weil sie mit der Maria-Ladenburger-Stiftung dem Dunkel trotzen. Weil sie nicht zulassen, dass der Hass von ihnen Besitz ergreift. Weil sie mit der Stiftung Marias Lebensfreude forttragen. Weil sie ihr Licht, Marias Licht, in ihrer Stiftung weiterleuchten lassen. Weil sie den lauten Zeiten leise Töne entgegen setzen. Weil sie Nächstenliebe nicht nur predigen, sondern wirklich leben.

Weil sie mit der Stiftung in die Bildung junger Menschen investieren, und ich bin der festen Überzeugung, dass Bildungsarbeit auch Friedensarbeit ist. Denn Bildung ist der Schlüssel zu einem besseren Leben, zu einem selbstbestimmten Leben, in dem man auch anderen ihr Lebensglück gönnt, in dem man sich in die Gesellschaft einbringt und für sich und andere Verantwortung übernimmt.

Aus vielen Puzzleteilen ist die Maria-Ladenburger-Stiftung entstanden. Aus Gedanken und Gesprächen, aus Vorstellungen und Wünschen. Aber vor allem: aus Mut und Kraft und einer unvorstellbaren menschlichen Größe. Hinter allem steht der christliche Glaube. Der tiefe Glaube und die lebenszugewandte Einstellung haben den Entschluss reifen lassen, dem Bösen mit etwas Gutem zu begegnen.

Von ihrem Lebensmittelpunkt Brüssel aus entwickelten Friederike und Clemens Ladenburger gemeinsam mit dem Verband der Freunde der Universität Freiburg ihre Idee einer Stiftung. Maria sagte immer, es komme auf den Beitrag jedes Einzelnen an. Das lebte die Familie Ladenburger ja bereits. Diese Lebenseinstellung wollten sie weiterleben lassen. Jetzt erst recht.

Und sie wollten das in dem Umfeld tun, in dem sich ihre Tochter ein Jahr lang so wohl gefühlt hat – in Freiburg. An der Universität und vor allem an der Medizinischen Fakultät. Viele Menschen, vor allem aus Freiburg, haben ihnen beiseite gestanden am Anfang dieser schweren Zeit und tun es bis heute.

Ab Januar 2018 arbeiteten Friederike und Clemens Ladenburger an der Gründung der Stiftung. Der Vorstand der Freunde der Universität half ihnen dabei, ebenso wie die Dekanin der Medizinischen Fakultät. Sie taten das alles neben ihrem beruflichen Alltag von Brüssel aus – per Telefon oder Skype. Vor allem taten sie es – und das hat sie besonders belastet, aber auch angespornt – während des laufenden Strafverfahrens. Ihr Ziel: Die Maria-Ladenburger-Stiftung sollte vor der Urteilsverkündung ins Leben gerufen werden. Marias Name sollte mit der Stiftung verbunden sein, mit etwas Gutem, nicht mit einem Verbrechen. Sie wollten, dass über den Menschen Maria gesprochen wird, nicht über die Tat oder den Täter.

Das ist ihnen gelungen: Ein Tag vor der Urteilsverkündung – im März 2018 – wurde die Gründung der Maria-Ladenburger-Stiftung öffentlich bekannt gegeben.

Als Zeichen der Anerkennung dieses großen Schrittes spenden die Menschen für die Stiftung seither rege. 100.000 Euro gab die Familie Ladenburger selbst, knapp 400.000 kamen als Spenden seither hinzu.

Die Familie Ladenburger hat sich in der ganzen Zeit kaum öffentlich geäußert – nur bei der Gründung der Stiftung und nach der Urteilsverkündung. Immer riefen sie dabei zur Besonnenheit auf. Denn die lauten Stimmen in diesem Land wollten Marias Schicksal instrumentalisieren, um den Hass auf Flüchtlinge zu schüren.

Nach der Urteilsverkündung lobten Friederike und Clemens Ladenburger – beide Juristen – öffentlich den Rechtsstaat, der mit seinem Urteil unter Beweis stellte, wie viel ihm das Leben eines Menschen und die Ermittlung der Wahrheit wert sind.

Es zeugt von unvorstellbarer menschlicher Größe, dass die Familie Ladenburger in der Lage ist, zu differenzieren zwischen einem Täter und anderen Menschen mit gleicher Herkunft, die in unserem Land eine neue Heimat suchen. Und das, obwohl sie öffentlich angefeindet wurden, ja sogar Hassmails erhielten. Es zeugt von menschlicher Größe, dass sie differenzieren können zwischen dem, was in anderen Ländern schief lief, und dem Gerichtsurteil, das in Deutschland gesprochen wurde.

Es ist diese menschliche Größe, die den Bürgerpreis der deutschen Zeitungen mehr als verdient. Sie verdient unsere absolute Hochachtung, unseren tiefen Respekt – und unsere Dankbarkeit. Denn es sind Menschen wie Friederike und Clemens Ladenburger – und ihre Töchter –, die durch gelebte Nächstenliebe, die uns eigentlich alle leiten sollte, unsere Gesellschaft zu einer besseren macht. Zu einer solidarischen und sozialen Gesellschaft, in der die Menschen einander mit Respekt behandeln, einander zuhören, sich für andere einsetzen. In der es dominante, laute Stimmen gibt, aber mindestens ebenso viele leise, die sich auf ihre Weise Gehör verschaffen und am Ende die Oberhand behalten.

Maria hat genau so gelebt, sie hat aktiv zu einer solchen Gesellschaft beigetragen. Sie hat das Licht, das ihr geschenkt war, auch für andere leuchten lassen. Es ist von unschätzbarem Wert, dass dieses Licht in der Maria-Ladenburger-Stiftung weiterleuchtet und dass Marias Leben in der Stiftung weiterlebt.

Liebe Frau Ladenburger, lieber Herr Ladenburger, ich danke Ihnen von Herzen für Ihren Mut, Ihre Stärke und Ihre menschliche Größe, dass Sie jungen Menschen in Freiburg ein besseres Leben ermöglichen und dabei auch ausdrücklich Menschen mit ausländischen Wurzeln einschließen. Sie setzen damit ein Zeichen für Mitmenschlichkeit und leisten einen sehr, sehr wichtigen Beitrag für unsere ganze Gesellschaft. Ich danke Ihnen, dass Sie uns alle am Licht Ihrer Tochter teilhaben lassen.

Vielen herzlichen Dank.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier