Neujahrsempfang für die Angehörigen des Diplomatischen Korps

Schwerpunktthema: Bericht

17. Januar 2019

Elke Büdenbender hat am 17. Januar die Angehörigen des Diplomatischen Korps und die Vertreterinnen und Vertreter der von ihr unterstützten Organisationen und Initiativen zum traditionellen Neujahrsempfang in Schloss Bellevue eingeladen.


Elke Büdenbender hat am 17. Januar die Angehörigen des Diplomatischen Korps und die Vertreterinnen und Vertreter der von ihr unterstützten Organisationen und Initiativen zum traditionellen Neujahrsempfang in Schloss Bellevue eingeladen.

Ansprache von Elke Büdenbender:

Änderungen vorbehalten. Es gilt das gesprochene Wort.

Ich freue mich, Sie nun schon zum zweiten Mal zu meinem Neujahrsempfang hier in Schloss Bellevue willkommen heißen zu dürfen. Lassen Sie uns zunächst den jungen Studierenden des Jazz-Instituts der Hochschule für Musik Hanns Eisler sowie der Universität der Künste für die mitreißende Musik danken. Ich fand es ganz großartig!

Wir blicken heute gemeinsam auf das alte Jahr zurück – und wollen uns auf das neue Jahr einstimmen. 2018 war ein spannendes, für mich persönlich sehr bereicherndes und erfüllendes, aber mit Blick auf die politische Weltlage gewiss auch ein verunsicherndes Jahr. Im In- wie im Ausland geraten alte Gewissheiten ins Wanken. An Europa zerren Fliehkräfte. Viele Menschen fragen sich voller Sorge. Wo soll das alles nur hinführen?

Sogar im sonst so stabilen Deutschland kam lange keine Regierung zustande. Noch besorgniserregender aber fand ich die zunehmende Polarisierung, die sich auch in der gesellschaftlichen Debatte niederschlug, und im Spätsommer in Chemnitz regelrecht eskalierte.

Es gibt also gute Gründe, in Sorge um unsere Welt zu sein. Aber trotzdem möchte ich Ihnen heute sagen: Es gibt auch viele Gründe, an die Menschen dieser Welt zu glauben und ihnen zu vertrauen, dass sie das Richtige tun und das Falsche bekämpfen.

Auf meinen Reisen habe ich so viele Menschen kennenlernen dürfen, die sich für andere einsetzen und gegen Unrecht aufbegehren.

Ich denke da zum Beispiel an die Mädchen und Frauen in Indien, die ich im März vergangenen Jahres besuchte und die sich gegen ein scheinbar unausweichliches Schicksal – Angriffe mit Säure und Feuer – stemmen.

Oder die Straßenkinder, die ich in einem UNICEF-Projekt im indischen Chennai traf. Sie arbeiteten auf Müllhalden und lebten auf der Straße. Sie lernten, dass sie ein Recht auf ein besseres Leben haben und treten nun sogar füreinander ein.

In beiden Fällen war es so, dass die Abgrenzung von den widrigen Lebensbedingungen größer wurde, je mehr Selbstwertgefühl die Kinder oder Frauen gewannen.

Auf unserer gemeinsamen Reise nach Jordanien und meiner eigenen Projektreise mit UNICEF in den Libanon, besuchte ich Flüchtlingslager. Hier leben syrische Flüchtlinge eng auf eng. Menschen, die in Syrien ein gutes Leben hatten, die im Beruf standen, zur Schule gingen. Dann kam der Krieg, der ihnen all das nahm. Zum Glück gibt es in vielen Camps Schulen, wenn auch solche mit sehr einfacher Ausstattung. Und trotz allem habe ich dort Menschen getroffen, die sich ihre Hoffnungen und Träume nicht nehmen lassen. Die trotz alledem daran glauben, dass sie es irgendwann einmal wieder besser haben werden.

Und wo immer ich hingeschaut habe, ich habe immer wieder gesehen: Bildung ist der Schlüssel zu einem besseren Leben. Sie ist der Schlüssel zu einem selbstbestimmten Leben. Denn: Bildung schafft Wissen, und Wissen macht selbstbewusst. Und wer selbstbewusst ist, traut sich, auf die eigenen Talente und Stärken zu schauen und diesen entsprechend den für sie oder ihn richtigen Weg im Leben einzuschlagen. Und wird nicht mit Neid und Missgunst auf andere blicken. Bildung ist also auch Friedensarbeit.

Leider haben weltweit immer noch 263 Millionen Kinder keinen Zugang zu Bildung. Und nach wie vor sind vor allem Mädchen davon besonders betroffen. In Konfliktregionen gehen doppelt so viele Mädchen nicht zur Schule wie Jungen. Das muss sich ändern.

Umso mehr freut es mich, wenn ich jungen Frauen begegne wie den so genannten Techno Girls, die ich in Johannesburg in Südafrika kennenlernen durfte. Diese jungen Frauen, die alle aus Townships in Soweto kommen, wurden vom gleichnamigen UNICEF-Mentorenprogramm durch ihre Schul- und Ausbildungszeit begleitet, sie machten Praktika auch in Berufe, die sonst eher Männern vorbehalten sind. Sie haben nun alle einen festen Job.

Man muss aber gar nicht so weit reisen, um den Wert und die Wichtigkeit von Bildung zu erkennen. Hier bei uns sollten Kinder und Jugendliche dabei begleitet werden – sei es von Eltern, Lehrern und/oder Mentoren –, ihre Stärken zu entdecken und den Weg einzuschlagen, der diesen entspricht. Das kann das Studium nach der Schule sein, aber ebenso gut auch eine berufliche Ausbildung.

Auf diesem Weg helfen zum Beispiel die Initiative Klischeefrei wie auch Teach First Deutschland, deren Schirmherrin ich bin. Die Fellows begleiten Schülerinnen und Schüler zwei Jahre in der Schule.

Die Initiative Klischeefrei, für die ich mich als Schirmherrin gemeinsam mit der Bundesministerin für Bildung, der Bundesministerin für Familie und dem Bundesminister für Arbeit und Soziales engagiere, setzt sich dafür ein, dass schon Mädchen und Jungen lernen, dass ihnen alle Berufe offen stehen, egal ob es sich dabei um vermeintliche Männer- oder Frauenberufe handelt. Und zwar schon ganz früh! Ich habe zahlreiche Ausbildungsbetriebe und Berufsschulen besucht im vergangenen Jahr – oft gemeinsam mit dem Zentralverband des Deutschen Handwerks, dem ich sehr für die fruchtbare Zusammenarbeit danke! – und ich war sehr beeindruckt von der Qualität der beruflichen Ausbildung in unserem Land und ihrer Vielseitigkeit. Andere Länder beneiden uns um unser Duales Ausbildungssystem, bei uns wird es oft als Zweite Wahl angesehen. Das ist falsch.

Und Menschen, die ihren eigenen Weg gefunden haben und ein selbstbestimmtes Leben führen, sind eher bereit, auch anderen ihr Glück zu gönnen und somit vorurteilsfrei durchs Leben zu gehen. Sie sind offener für andere und bereit, sich einzubringen und auch anderen zu ihrem Glück zu verhelfen.

Und solche Menschen brauchen wir. Solche Menschen braucht unsere Demokratie. Und es ist unsere Aufgabe, junge Menschen dabei zu unterstützen, zu Menschen heranzuwachsen, die für sich selbst, aber auch für andere Verantwortung übernehmen. Die sich einbringen in die Gesellschaft und daran teilhaben, und zwar gleichberechtigt. Mädchen wie Jungen, Frauen wie Männer. Junge Menschen ebenso wie alte. Menschen deutscher Herkunft genauso wie Menschen mit anderen Wurzeln. Gleichberechtigte Teilhabe aller macht unsere Demokratie zukunftsfest und unsere Gesellschaft gerechter.

Für gleichberechtigte Teilhabe kämpften auch zahlreiche Frauen vor hundert Jahren. Am 19. Januar (übermorgen!) vor hundert Jahren durften Frauen das erste Mal in Deutschland wählen. Eine Errungenschaft, die wir gar nicht genug wertschätzen können! Denn wer sich nicht einbringen darf, wird sich nicht als Teil der Gesellschaft sehen und sich nicht in diese einbringen wollen.

Leider wird Demokratie nicht vererbt. Sie muss von jeder Generation neu erlernt werden. Deswegen hat mich auch der Sachsen-Tag sehr bewegt, an dem ich im September mehrere Initiativen der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung – deren Arbeit ich wirklich sehr schätze – vor Ort besuchte. Ja, Demokratie fängt bereits damit an, dass man sich als Schulgemeinschaft – Lehrerinnen, Lehrer, Schülerinnen und Schüler – überlegt, wie der Schulhof gestaltet wird. So wie eine Grundschule in der Nähe von Bautzen.

Demokratie fängt im Kleinen an: zu Hause am Küchentisch oder in Sportvereinen. Das Schöne daran ist: So kann jeder zum großen Ganzen beitragen, jeder kann sich einbringen. Und sei die Tat noch so klein. Sie ist ein wichtiger Beitrag für unser Zusammenleben.

Sie alle tun dies – meist schon seit vielen Jahren. Ob Sie sich dabei für Kinder mit lebensverkürzenden Krankheiten und deren Familien einsetzen wie die Björn-Schulz-Stiftung, deren Kinderhospiz Sonnenhof ich besuchte. Ob sie sich diabeteskranker Kinder und ihrer Familien annehmen, wie es Dianino tut.

Oder ob sie Kindern, die zu Hause keine Wertschätzung erfahren, nachmittags ein Zuhause bieten und ihnen Ihre Zeit und Aufmerksamkeit schenken wie die Arche in Berlin-Hellersdorf – oder auch das Haus Conradshöhe im Norden Berlins, das Kindern und Jugendlichen nicht nur nachmittags, sondern oft über viele Jahre hinweg ein Zuhause bietet.

Ob Sie Kinder für die Zukunft fit machen, indem Sie Computerkurse anbieten, wie es die Hacker School tut. Ob Sie ein Krankenhaus in Israel unterstützen – das Chaim Sheba Medical Center –, das Menschen aller Nationalitäten und Glaubensrichtungen behandelt.

Einen besonders wichtigen Beitrag leistet seit fast sieben Jahrzehnten das Müttergenesungswerk. Unermüdlich setzt es sich für die Gesunderhaltung von Müttern und nun auch Vätern und pflegenden Angehörigen ein. Nur gesunde und starke Mütter und Väter können ihren Kindern als starke Begleiter den Weg ins Erwachsenenleben ebnen.

Und ich danke Ihnen, den Partnerinnen und Partnern der Mitglieder des Diplomatischen Corps. Sie sind auch die Botschafterinnen und Botschafter (ehrenhalber) für Ihr Land und tragen ganz viel zu einem friedlichen Miteinander in der Welt bei. Dafür danke ich Ihnen von Herzen. Auch dafür, dass Sie uns, wie auch im Jahr zuvor, großartig unterstützt haben: bei unseren Auslandsreisen oder eingehenden Staatsbesuchen.

Ich freue mich sehr auf die weitere Zusammenarbeit in diesem Jahr und nun ganz besonders auf die Gespräche mit Ihnen. Herzlichen Dank, dass Sie gekommen sind.