Elke Büdenbender hat am 18. Juni 2017 an einem Abendessen anlässlich des Global Media Forum der Deutschen Welle teilgenommen.
Das Global Media Forum ist eine internationale und interdisziplinäre Konferenzreihe der Deutschen Welle, an der Medienvertreterinnen und Medienvertreter aus aller Welt sowie Akteure aus Politik, Kultur, Wirtschaft, Entwicklungszusammenarbeit und Wissenschaft teilnehmen. Das dreitägige Forum soll eine Plattform schaffen für den interkulturellen Austausch und Lösungsansätze erarbeiten für die Herausforderungen der Globalisierung, bei denen die Medien eine zentrale Rolle spielen.
Erstmals wurde das Global Media Forum 2008 von der DW in Bonn veranstaltet und findet seither jährlich mit wechselnden Schwerpunkten statt. Dieses Jahr befassen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit dem Thema Identität und Vielfalt
(Identity and Diversity
).
Vor den 33 Teilnehmern des Abendessens sprach Elke Büdenbender ein Grußwort.
Ansprache von Elke Büdenbender:
Es gilt das gesprochene Wort.
Es ist mir eine große Freude, heute Abend hier sein zu können. Wie schön, dass Sie das Abendessen in diesem Jahr hier in der Villa Hammerschmidt ausrichten. Sie ist ja der Bonner Amtssitz des Bundespräsidenten. Aber das nur am Rande.
Identity and Diversity
lautet das Thema der diesjährigen Konferenz. Vielfalt und Identität – die eigene Identität in der Vielfalt zu erhalten, sich aber gleichzeitig für das Neue, für andere Identitäten zu öffnen – was für eine große Herausforderung!
Dennoch ist es Alltag für uns alle, denn weltweit lebt eine Vielzahl verschiedener Nationen, Religionen und Kulturen zusammen, oft auf engstem Raum, auch hier bei uns. Das bedeutet zweierlei: Zum einen die im Heimatland neu hinzukommenden Kulturen zu akzeptieren und zum anderen sich als neu Ankommender in diese Heimat zu integrieren und an dessen Gepflogenheiten und Werte anzupassen. Bei dem Ganzen dann nicht die eigene Identität aufzugeben, das ist die große Kunst. Ein Miteinander, in dem die eigene Kultur und Identität im Respekt vor dem Anderssein gelebt wird – das erscheint mir für ein friedliches Zusammenleben unerlässlich.
Ganz konkret konnte ich bei unserer Reise nach Israel und in die palästinensischen Autonomiegebiete Anfang Mai erfahren, wie sehr die Bereitschaft, über religiöse und kulturelle Unterschiede hinweg Gemeinsamkeiten zu suchen, so viel Gutes bewirken kann.
Wir trafen eine Frauen-NGO in Israel und eine in Ramallah, im palästinensischen Autonomiegebiet. Wir besuchten einen Kindergarten, in dem katholische Ordensschwestern in einem jüdischen Viertel in Jerusalem palästinensische Kinder, hauptsächlich Mädchen, betreuen. Und wir lernten israelische und palästinensische Jugendliche in Jerusalem kennen, die gemeinsam im YMCA Jerusalem Youth Chorus singen und dabei mit der jeweils anderen Seite ins Gespräch kommen. Besonders ist mir dabei ein muslimischer Teenager aus Ostjerusalem in Erinnerung geblieben, der auf die Frage, was sich für ihn durch den Chor verändert habe, antwortete: Bevor ich hierher kam, dachte ich, alle Juden hassen mich. Jetzt weiß ich es besser.
Besser kann man nicht illustrieren, wie sehr Begegnungen von Menschen unterschiedlicher Kulturen und Religionen der Schlüssel zu einem friedlichen Zusammenleben sein können.
Zur Vielfalt einer Kultur, eines Landes, einer Gesellschaft gehört aber auch, dass alle in ihr lebenden Menschen frei und gleichberechtigt sind – Männer wie Frauen, Jungen wie Mädchen. Wenn Frauen gleichberechtigt an der Gesellschaft teilhaben können, bedeutet das ein Mehr an Vielfalt. Neulich war ich bei einem Abendessen, dem sogenannten Global Perspectives Dinner – Melinda Gates war auch dabei –, und wir sprachen darüber, wie Frauen, vor allem in Schwellenländern, in denen von einer Gleichberechtigung der Geschlechter oft nicht gesprochen werden kann, motiviert und befähigt werden können, selbstbewusst für ihre Rechte einzutreten.
Ebenfalls von enorm wichtiger Bedeutung, wenn wir hier von Vielfalt sprechen, sind natürlich die Medien. Die Medien eines Landes sollten, ja müssen vielfältig sein, um die Realität und die immer komplexer werdenden Zusammenhänge der Geschehnisse in der Welt abbilden zu können. Und noch wichtiger: Sie sollten uns Ratgeber und Helfer sein, das Wichtige in der Vielzahl der Nachrichten zu sehen und es richtig einzuordnen. Das Verhindern von Berichterstattung, die Unterdrückung der Presse- und Meinungsfreiheit, wie wir es gerade auch in Teilen Europas beobachten können, ist einer Demokratie unwürdig. Eine willkürliche Auswahl der Pressevertreter nach gutdünken, während andere bewusst dauerhaft ausgeschlossen werden, ebenso wenig.
Ein Bereich, der mir neben all den eben genannten besonders am Herzen liegt und dem ich mich in den nächsten fünf Jahren besonders widmen möchte, ist der Bereich der Bildung. Auch hier liegt mir Vielfalt sehr am Herzen. Es gibt nicht nur den einen, geraden Bildungsweg. Für immer mehr Menschen ist das der Weg Schule – Abitur – Studium. Was gut ist. Aber wir müssen Menschen ermutigen, ertüchtigen, sich auch auf an deren Wegen, manchmal auch auf Umwegen, weiter zu bilden. Mein eigener Weg verlief auch anders: der Realschule folgte eine Ausbildung zur Industriekauffrau, dann ein Kolleg und schließlich das Jurastudium in Gießen. Ich spreche natürlich nicht gegen den Weg des Abiturs und des Studiums im Anschluss – ich möchte nur betonen, dass es so nicht sein muss. Dann nämlich, wenn ein junger Mensch merkt, dass dieser nicht sein Weg ist. Ich halte – das möchte ich betonen – die berufliche Aus- und Weiterbildung für absolut gleichwertig.
Abgesehen von den verschiedenen Bildungswegen ist der Begriff der Bildung an sich ja auch vielseitig und vielschichtig. Bildung bedeutet nicht nur das Erlernen von Fertigkeiten. Nicht nur der Verstand muss angesprochen und gebildet werden, sondern – lassen sie es mich genauso sagen – auch das Herz. Herzensbildung – ein geradezu klassisches Thema. Aber eines nicht nur für Friedrich Schiller oder Wilhelm von Humboldt, sondern eines fürs Heute und die Zukunft. Bedeutet es doch auch, sich zu öffnen – anderen Menschen gegenüber und neuen Situationen. Dann lernen wir Neues kennen. Denn ich denke, wir alle tragen eines in uns: Neugier. Etwas wissen zu wollen, ist das, was uns antreibt, von Kindesbeinen an. Lernen müssen wir, das Neue, das Andere einzuordnen – müssen es mit dem, wie wir es bisher sahen und kannten, in Einklang bringen oder uns davon abzugrenzen, wenn das Andere wirklich nicht mit unseren Wertvorstellungen vereinbar ist.
Genau hier können wir den Wert der Globalisierung erkennen. Welch eine Chance, Neues, Fremdes und ja, vielleicht sogar zunächst Befremdliches zu entdecken und näher kennenzulernen. Wir lernen von anderen, und dabei viel über uns: Wer wir sind, was wir wollen und nicht wollen. Je diverser das Angebot ist, desto mehr lernen wir. Und was ist Leben, wenn nicht ein lebenslanger Entwicklungsprozess?
Das Global Media Forum ist in diesem Sinne eine Art Bildungsveranstaltung und damit von unschätzbarem Wert. Menschen verschiedenster Fachrichtungen kommen zur Diskussion verschiedenster Themen zusammen. Menschen verschiedener Nationen und Kulturen und auch Religionen bringen ihre jeweils eigene Kenntnis und Sichtweise in die Gespräche ein, alle zusammen sind auf der Suche nach Lösungen zum Umgang mit den Herausforderungen, die die Globalisierung eben auch mit sich bringt. Das Global Media Forum ist dabei keine trockene Bildungsveranstaltung, sondern eine äußerst lebendige, eine anfassbare. Sie macht das Leben der Anderen lebensnah und anfassbar. In diesem Sinne arbeitet die Deutsche Welle ja auch fernab dieser Konferenz. Das ganze Jahr über versucht sie, uns das Leben da draußen
nahe zu bringen. Durch sie – und andere Medien – können wir in jeden Winkel der Welt schauen. Die Medien helfen uns, Einblick zu nehmen und die Dinge einzuordnen.
Wenn wir nicht wissen, was um uns herum passiert – und noch schlimmer: wenn wir die Welt in ihrer Vielfalt nicht verstehen –, werden wir darauf mit Einfalt antworten, nur auf uns und unsere Interessen bezogen. Wenn die Globalisierung uns davor – vor der Einfalt – bewahrt, kann sie also ein wahres Geschenk sein. So verstanden kann sie sogar zur Demokratisierung beitragen.
Über all diese Themen werden Sie in den kommenden drei Tagen in den Workshops, Foren und Vorträgen des Global Media Forums mehr erfahren, mögliche Lösungen suchen, wie Vielfalt und eigene Identität vereinbart werden können, und ganz sicher angeregt darüber und über ihre Realisierungschancen diskutieren. Es wird mit Sicherheit eine sehr spannende Konferenz, die an sich – im Hinblick auf die Themen und die Teilnehmer – schon sehr diverse
ist. Ich wünschte, ich könnte dabei sein und mehr erfahren. So bleibt mir nur, Ihnen viel Freude und bereichernde Begegnungen zu wünschen und uns für heute einen ebensolchen Abend. Vielen Dank und guten Appetit.