Elke Büdenbender hat am 6. Juni am Empfang anlässlich des Ramadan auf Einladung der Staatsministerin Aydan Özoğuz teilgenommen.
Ansprache von Elke Büdenbender:
Es gilt das gesprochene Wort.
Es ist mir eine Freude, mit Ihnen diesen besonderen Abend zu verbringen, der mir die Möglichkeit gibt, zum ersten Mal in meinem Leben an einem Fastenbrechen im Monat Ramadan teilzunehmen.
Mit so vielen unabhängigen, starken und individuellen Frauen zusammen sein zu können, ist wunderbar und heute für viele von uns selbstverständlich. Das war, wie wir wissen, nicht immer so.
Deshalb möchte ich nochmals kurz auf diesen besonderen Ort, bzw. auf die Frau – Sophie Charlotte, die Ehefrau Friedrichs des Ersten – eingehen, deren Person untrennbar mit diesem Schloss verbunden ist.
Wie meine Vorrednerin schon sagte, war Sophie Charlotte eine für ihre Zeit ungewöhnliche Frau – nämlich hoch gebildet und eine Förderin der Geisteswissenschaften. Dennoch sollten wir nicht vergessen, dass sie hier in dem nach ihren Vorstellungen errichteten Schloss – Einflussnahme auf den Ehemann, den sie sich nicht selbst aussuchen konnte, hin oder her – als Frau des 17. bzw. 18. Jahrhunderts jedoch auch in einem goldenen Käfig gelebt hat. Ganz zu schweigen von ihren Zeitgenossinnen, die unter ungleich schwierigeren materiellen Bedingungen zumeist in keiner Weise in der Lage waren, ihr Leben selbst zu bestimmen.
Wir Frauen sind seither einen langen Weg gegangen, bis wir auch hier in Deutschland die volle rechtliche Gleichstellung erkämpfen konnten. Das illustriert sehr anschaulich die Geschichte des Gleichstellungsgebotes.
Noch in der Weimarer Reichsverfassung von 1919 hieß es in Art. 109 lediglich: Alle Deutschen sind vor dem Gesetze gleich. Männer und Frauen haben grundsätzlich dieselben staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.
Art. 3 Abs. 2 GG lautet nunmehr einfach: Männer und Frauen sind gleichberechtigt
.
Diese Formulierung verdanken wir der großartigen Juristin Elisabeth Selbert (SPD), die neben Frieda Nadig (SPD), Helene Wessel (Zentrum) und Helene Weber (CDU) eine der vier Mütter des Grundgesetzes gewesen ist.
Sie, Elisabeth Selbert, war es, die erkannte, wie wichtig es seinerzeit war, die Gleichstellung von Frau und Mann bedingungslos im Grundgesetz festzuschreiben – auch wenn dadurch, quasi automatisch, beispielsweise Teile des Bürgerlichen Gesetzbuches verfassungswidrig wurden. So enthielt dieses Gesetz unter anderem noch die Vorschrift, dass Ehefrauen nur mit der Erlaubnis ihres Ehemannes berufstätig sein durften – dies wurde erst 1977 geändert. Der Mann verwaltete das Familienvermögen – auch das Einkommen der Ehefrau, und er konnte auch den Arbeitsvertrag der Ehefrau kündigen.
Zwar unterlag Elisabeth Selbert mit ihrer Forderung Ende 1948 noch in den Ausschusssitzungen des Parlamentarischen Rates, der für die Erarbeitung des Grundgesetzes zuständig war. Aber sie gab nicht auf.
Elisabeth Selbert organisierte einen breiten öffentlichen Protest, getragen vom Frauensekretariat der SPD, von überparteilichen Frauenverbänden, Kommunalpolitikerinnen und weiblichen Berufsverbänden. Eine Fülle von Resolutionen, Briefen und Stellungnahmen erreichte die Mitglieder des Parlamentarischen Rates.
Elisabeth Selbert und Frieda Nadig gelang es nun, sowohl ihre Mitstreiterinnen im Rat, Weber und Wessel, zu überzeugen als auch schließlich alle gemeinsam die übrigen Mitglieder des Parlamentarischen Rates.
So wurde am 18. Januar 1949 der Gleichheitsgrundsatz, so wie wir ihn heute kennen, in der Sitzung des Hauptausschusses einstimmig angenommen und im Grundgesetz verankert.
Erst nach und nach wurden dann die Gesetze, unter anderem das Bürgerliche Gesetzbuch, an das umfassend geltende Gleichberechtigungsgebot angepasst. Dies gelang aber nicht reibungslos. Noch im Jahr 1959 erklärte das BVerfG das im sogenannten Gleichberechtigungsgesetz von 1957 enthaltene Recht des Ehemannes zum Letztentscheid
in strittigen Erziehungsfragen für verfassungswidrig, auch wenn die Entscheidung weitere im Gesetz enthaltene, heute geradezu mittelalterlich anmutende Regelungen unbeanstandet ließ.
Infolge sind dann eine ganze Reihe von Gesetzen geändert worden: 1976 wurde zum Beispiel das Namensrecht reformiert, 1977 dann das Ehe- und Familienrecht. 1994 kam das Zweite Gleichberechtigungsgesetz mit der Ergänzung des Art. 3 Abs. 2 GG um den Zusatz: Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
Im Jahr 2000 folgte schließlich die Änderung des Art. 12 a Abs. 4 GG, der nun auch Frauen den freiwilligen Dienst an der Waffe erlaubt. Das, um nur einige Gesetze zu nennen.
Mittlerweile sind wir rechtlich umfassend gleichgestellt, Frauen ergreifen dieselben Berufe wie Männer und entscheiden selbst, welche Wege sie einschlagen.
Natürlich bleibt in vielen Bereichen noch einiges zu tun: um es hier auf Deutschland zu münzen, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie – was allerdings auch die Väter vermehrt einfordern –, die Förderung von Mädchen und jungen Frauen bei der Berufswahl, das Einreißen oder Niederreißen der sogenannten gläsernen Decke
, d.h. mehr Frauen in Führungspositionen zu bekommen, wozu nach meiner Auffassung auch insbesondere die Ermutigung der Frauen zum Risiko gehört. Auch das nur, um einige Beispiele zu nennen.
Aber egal, woher wir kommen, welchen Glauben wir haben oder nicht haben: wir sind gleichberechtigt, und wir arbeiten daran, die Gleichberechtigung nicht nur rechtlich, also auf dem Papier, sondern auch weiter tatsächlich in der Realität, im Leben umzusetzen.
Liebe Frauen, ich möchte hier aber nicht nur an die Geschichte unserer rechtlichen Gleichstellung erinnern. Ich habe mich vor allem deshalb so über die Einladung gefreut, weil sie mir Gelegenheit gibt, wieder einmal etwas ganz Neues kennenzulernen.
Ich bin beeindruckt davon, wie viele Frauen aus ganz unterschiedlichen Zusammenhängen hier zusammen gekommen sind, um miteinander zu feiern.
Wie ich eingangs sagte, nehme ich, die ich katholische Christin bin, heute zum ersten Mal in meinem Leben am Fastenbrechen teil und auch zum ersten Mal an einem muslimischen Fest. Ich bin neugierig und gespannt, was sich aus diesem Treffen ergibt.
Aber vor allem bin ich der Auffassung, dass nur ein gegenseitiges Kennenlernen und ein respektvoller Umgang von Menschen unterschiedlichen Glaubens oder auch Nichtglaubens miteinander hilft, Vorurteile abzubauen und vor allem Ängste vor der Anderen
zu überwinden, und zwar bevor aus den Vorurteilen unüberwindbare Gräben und aus Ängsten Hass wird.
Ganz konkret konnte ich bei unserer Reise nach Israel und in die palästinensischen Autonomiegebiete erfahren, wie sehr die Bereitschaft, über religiöse und kulturelle Unterschiede hinweg Gemeinsamkeiten zu suchen, so viel Gutes bewirken kann.
Ich hatte dort zum Beispiel die Gelegenheit, die Frauen der Nichtregierungsorganisation von Women Wage Peace
zu treffen. Dies ist eine Vereinigung von muslimischen, christlichen und jüdischen Frauen aus Israel, die sich im Jahr 2014 nach den Erfahrungen des Gaza-Krieges zusammentaten und die mittlerweile 12.000 Mitglieder hat und noch mehr Follower
. Dabei legen diese Frauen, von denen die allermeisten berufstätig und wohl alle Mütter sind, Wert darauf, Menschen gleichgültig welcher politischen Partei oder Richtung sie angehören, zu gewinnen. Sie sind der Meinung, dass Frieden alle angeht und wollen alle mitnehmen.
Im Oktober 2016 fand dann, leider weitgehend von den Medien unbeachtet, ein Friedensmarsch von 20.000 Frauen statt, an dem u.a. auch 3.000 Frauen aus den palästinensischen Autonomiegebieten teilnahmen. Dieser Marsch, bei dem sich so viele unterschiedliche Frauen beteiligt haben, ist ein großartiger Erfolg und zeigt, wieviel Frauen erreichen können, sogar in diesem Teil der Welt, der seit Jahrzehnten von Gewalt heimgesucht wird.
Es bedarf sicherlich noch unglaublicher Anstrengungen, um eine friedliche Lösung des Konflikts zu erreichen, und ich weiß auch nicht, wie sie aussehen kann, die Lösung.
Die Arbeit dieser Frauen steht für mich aber stellvertretend dafür, dass das Überwinden von Unterschieden und das Erkennen von Gemeinsamkeiten friedensstiftend wirken kann. Diese Frauen sind beeindruckend und ermutigend für uns alle, und ich hoffe von ganzem Herzen, dass sie im Sinne des Vorantreibens einer Friedenslösung erfolgreich sind. Aber auch in Deutschland gibt es engagierte und mutige Menschen, die den interkulturellen und interreligiösen Dialog pflegen und leben.
Vergangene Woche lernte ich in Bonn, wo mein Mann seinen Antrittsbesuch absolvierte, auf einem Empfang beispielsweise Herrn Abdlqaq Azrak kennen, der zusammen mit Frau Irena Diakrite Vorsitzender des Koordinierungsrates des christlich-islamischen Dialogs e.V. und zugleich Mitglied des Arbeitskreises Muslime und Christen im Bonner Norden ist.
Herr Azrak stammt aus Syrien und ist vor vielen Jahren nach Deutschland gekommen. Syrien wird gerade von einem besonders grausamen Krieg heimgesucht, der von einzelnen Konfliktparteien unter dem Deckmantel des Glaubens geführt wird.
Der Krieg in Syrien, die blutigen Auseinandersetzungen in vielen Ländern im Nahen Osten und anderswo, die Anschläge, die unzählige Menschenleben kosten, die brutalen Übergriffe in Deutschland gegen Menschen anderen Glaubens, anderer kultureller Identität oder Herkunft oder anderer sexueller Orientierung machen deutlich, dass die Religion oder eine politische Überzeugung nie zur Ideoligie werden darf – nie dazu führen darf, dass ich anderen Menschen ihr Existenzrecht abspreche!
Herr Azrak sprach mit großer Wärme und Überzeugung, davon, dass es keinen Grund gibt, einen anderen Menschen zu hassen, nur weil er eine andere Religion hat oder einen anderen kulturellen Hintergrund. Das Kennen- und Verstehenlernen ist der Schlüssel für gute Nachbarschaft, gegenseitigen Respekt und Toleranz.
In diesem Sinne bin ich dankbar für die Gelegenheit, Sie kennenzulernen und an Ihrem Fest teilnehmen zu dürfen. Auch ich darf Ihnen allen einen gesegneten Ramadan wünschen und uns allen einen spannenden Abend.
Herzlichen Dank.