Elke Büdenbender hat vom 6. bis 9. Mai Israel und die palästinensischen Gebiete bereist. Dort traf sie Vertreterinnen zweier Nichtregierungsorganisationen sowie junge Kulturschaffende, besuchte den YMCA Jerusalem Youth Chorus und einen Kindergarten der Borromäerinnen. Ihnen allen gemein ist das Streben nach Frieden zwischen den Menschen verschiedener Religionen, Nationalitäten und Kulturen in dieser konfliktreichen Region.
Zehn Vertreterinnen der NGO Women Wage Peace (WWP) luden Frau Büdenbender am 7. Mai zu einem Mittagsimbiss zu einer Aktivistin nach Hause ein. Eindrucksvoll schilderten sie, wie sie sich 2014 als unabhängige, nichtparteiliche Bewegung formierten und mittlerweile auf 12.000 registrierte Mitglieder blicken können. WWP vereint jüdische und arabische, säkulare und religiöse, eingewanderte und in Israel geborene Frauen aus allen Schichten und Religionen Israels. Sie stehen in der Tradition der in den 1990ern von Soldatenmüttern initiierten Anti-Kriegsbewegung Four Mothers
, viele von ihnen haben Kinder, die 2014 im Krieg in Gaza kämpften.
Mit Bezug auf die Resolution 1325 des UN-Sicherheitsrates fordern sie die Beteiligung von Frauen in jeder staatlichen Einrichtung, in jeder Verhandlungsdelegation und in jedem Forum zum Thema Frieden und Sicherheit in der Region. Ihre Forderung: eine politische Friedenslösung des Nahostkonfliktes.
Neben landesweiten Dialogen in den Kommunen hat WWP im Oktober 2016 in einer beeindruckenden nationalen Kampagne mehr als 20.000 Frauen, darunter an die 4.000 Frauen aus dem Westjordanland in einem mehrtägigen „Marsch der Hoffnung“ auf die Straßen Israels gebracht. Ein Video dieser Aktion, das Frau Büdenbender vorgespielt wurde und sie sehr berührt hat, finden Sie hier.
Seit März dieses Jahres halten die Aktivistinnen Mahnwachen am israelischen Verteidigungsministerium ab, um einem neuen Krieg vorzubeugen.
Elke Büdenbender zeigte sich tief beeindruckt vom Engagement der Frauen: Sie zeigen auf sehr emotionale und positive Weise, dass es in diesen Zeiten, in denen die Öffentlichkeit nicht mehr an einen Friedensprozess zu glauben scheint, durchaus Unterstützer für eine Friedenslösung gibt – auf israelischer wie auch palästinensischer Seite.
Ein ähnliches Anliegen hat der YMCA Jerusalem Youth Chorus, den Frau Büdenbender am Nachmittag des gleichen Tages traf. Hier kommen rund 30 Jugendliche im Alter von 13 – 21 Jahren aus Ost- und Westjerusalem zusammen, um bei gemeinsamen Chorproben und dabei entstehenden Gesprächen Vorurteile und Konflikte zu überwinden. Gegründet wurde der Chor 2012 vom gebürtigen Amerikaner Micah Hendler, der an der Yale University Musik und Internationale Beziehungen studiert hat und mit seiner Abschlussarbeit Music for Peace in Jerusalem
den Grundstein für die Entstehung des Chors legte. Der Jugendchor ist ein offizielles Programm der Internationalen YMCA-Gemeindearbeit in Jerusalem und der Jerusalem Foundation, die für eine offene, gerechte und moderne Gesellschaft in Jerusalem eintritt.
Viele der Jugendlichen – israelische und palästinensische – sagten im Gespräch mit Frau Büdenbender, sie hätten vorher gedacht, dass die jeweils andere Seite sie hassen würde. Erst im Chor hätten sie gemerkt, dass das gar nicht der Fall ist. Die Jugendlichen werden zudem ermutigt, in ihren jeweiligen Gemeinden Fürsprecher für Frieden und gegenseitige Verständigung zu sein.
In Israel sind sie bereits mit bekannten Künstlern aufgetreten, und bei zwei USA-Tourneen traten sie gemeinsam mit amerikanischen Chören auf. Vor kurzem ist eine CD von ihnen erschienen.
Wie Sie sich als so junge Menschen für den Frieden in Ihrer Region einsetzen – und dabei noch so toll singen –, berührt mich wirklich sehr
, sagte Elke Büdenbender zu den jungen Sängerinnen und Sängern, bevor sie selbst einige Lieder mit ihnen sang, was diese mit Begeisterung aufnahmen.
Noch jüngere Menschen traf Frau Büdenbender am folgenden Morgen im St. Charles Kindergarten Jerusalem. Hier werden unter der Leitung der Barmherzigen Schwestern vom hl. Karl Borromäus
– der Orden ist seit über einem Jahrhundert in der Bildungsarbeit im Heiligen Land tätig – zusammen mit arabischen Erzieherinnen ca. 140 palästinensische Kinder, zumeist Mädchen, im Alter von drei bis sechs Jahren betreut und auf die Schule vorbereitet. In altershomogenen Gruppen lernen die Kinder Lesen und Schreiben, Zählen sowie einfaches Rechnen, sie musizieren und turnen. Unterrichtssprachen sind hierbei Deutsch, Englisch und ihre Muttersprache, das palästinensische Arabisch. Viele Mädchen gehen im Anschluss auf die Schmidt-Schule in Ostjerusalem, mit der der Kindergarten zusammenarbeitet und die den Mädchen einen Weg bis zum auch in Deutschland anerkannten Abitur ermöglicht.
Der liebevolle Umgang der Schwestern mit den Kindern und die Vermittlung der Wichtigkeit von gegenseitigem Respekt haben mich sehr beeindruckt
, sagte Frau Büdenbender. Gerade hier in dieser Region ist das von unschätzbarem Wert.
Am letzten Tag der Reise, dem 9. Mai 2017, ging es in die palästinensischen Gebiete, nach Ramallah. Im Deutsch-Französischen Kulturzentrum, einem weltweit einmaligen Zusammenschluss von Goethe-Institut und Institut Français, sprach Frau Büdenbender mit zwei jungen Kulturschaffenden, beide Absolventinnen des vom Auswärtigen Amt finanzierten regionalen Kulturmanagementprogramms. Frau Majd Hajjaj von der Qattan Foundation, einer unabhängigen, gemeinnützigen Organisation, die sich im Bereich Bildung und Kultur vor allem für Kinder, Lehrer und junge Künstler einsetzt, berichtete unter anderem über das Programm der Stiftung für Lehrer-Ausbildung. Lina Hagazi von der Gallery One Ramallah, erzählte von jungen, hippen
Palästinenserinnen und ihren Erfahrungen in einer traditionellen arabischen Gesellschaft.
Es war sehr spannend, was beide Frauen von ihren zum Teil sehr ausgefallenen und ambitionierten, aber oft auch erfolgreichen Projekten berichteten“, sagte Frau Büdenbender. „Sie wollen Ramallah zu einer Kulturstadt mit einem lebendigen Nachtleben umgestalten und es so auch für junge Menschen attraktiv machen. Bewundernswert!
Zu einem politisch gehaltvollen Mittagessen lud die palästinensische Frauen-NGO Palestinian Working Women’s Society for Development (PWWSD) in das von ihr betriebene Restaurant Al-Zewadeh. Die Einkünfte des Restaurantbetriebes kommen den Programmen der Organisation zugute, und den dort arbeitenden Frauen soll eine berufliche Perspektive geboten werden. PWWSD engagiert sich seit 1993 für die Gleichbehandlung der Geschlechter, gegen die Diskriminierung von Frauen und für den Schutz von Mädchen und Frauen vor häuslicher Gewalt. Frauen sollen in der Wahrnehmung ihrer politischen, wirtschaftlichen und ihrer Bürgerrechte gestärkt werden und erhalten hierfür psychosoziale sowie ggf. rechtliche Unterstützung.
Sechs Frauen aus unterschiedlichsten gesellschaftlichen Feldern schilderten Frau Büdenbender die Probleme, mit denen sich Frauen in den palästinensischen Gebieten konfrontiert sehen.
Amal Khreisheh, seit 1995 Direktorin von PWWSD, stellte die Arbeit der Organisation kurz vor und berichtete von den tiefgreifenden Auswirkungen der israelischen Besatzung auf palästinensische Frauen. Nur wenn diese endlich aufgehoben werde, könnten die Menschen in Palästina ihr Recht auf Selbstbestimmung erlangen.
Dr. Reham Halaseh, Programmdirektorin von PWWSD, betonte, dass Frauen das gleiche Recht haben wie Männer, Einfluss auf Entscheidungen auf allen Ebenen zu nehmen. Sie schilderte, wie PWWSD versucht, die Teilhabe von Frauen am politischen Geschehen durch Bildung, Lobbyarbeit und Mobilisierung zu erhöhen. Auch ermutigten sie Frauen, sich selbst zur Wahl zu stellen. Für dieses Engagement gewann PWWSD den Manara Award, der von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) an Initiativen vergeben wird, die sich im Bemühen um Geschlechtergleichstellung besonders verdient gemacht haben.
Suha Jarrar, eine junge Menschenrechtsaktivistin, beschrieb die Probleme palästinensischer Jugendlicher. Die israelische Besatzung verwehre ihnen die Möglichkeit, im Leben voran zu kommen, beruflich und wirtschaftlich erfolgreich zu sein und die Politik mitzubestimmen. Selbst das Gründen von Familien werde ihnen erschwert.
Hazam Tahboub beschrieb die Lebensumstände der etwa 50.000 in Hebrons Altstadt lebenden Palästinenser. Nicht nur fehle es ihnen an einer Grundversorgung, sondern darüber hinaus sähen sie sich häufig konfrontiert mit gewaltsamen Übergriffen.
Kholoud AlFaqeeh, die erste palästinensische Richterin, berichtete von ihrer Arbeit mit palästinensischen Familien unter dem Personenstandsrecht, in dem die Prinzipien der Scharia angewendet werden. Problematisch sei vor allem die Vielzahl von Rechtsquellen in Palästina. So gäbe es jordanische, ottomanische, ägyptische und britische Mandatsgesetze sowie die israelische Rechtsprechung. Und meist förderten die alten Gesetze nicht das Prinzip der Gleichstellung, sondern eher die Diskriminierung gegen Frauen. Immerhin gäbe es mittlerweile administrative Maßnahmen oder zumindest Entwürfe, die sich den Problemen des Sorgerechts, der Scheidung, der Alimente, der Kinderehen und anderen mit dem Personenstandsrecht in Zusammenhang stehenden Themen widmeten.
Als palästinensische Unternehmerin beklagte Amal Daraghmeh Masri vor allem die von Israel ergriffenen Restriktionen, die die palästinensische Wirtschaft schwächten und diese von der israelischen abhängig machten.
Auch die Präsidentin des statistischen Zentralamtes, selbst keine PWWSD-Aktivistin, war beim Mittagessen anwesend. Sie lobte die Arbeit von PWWSD und betonte, dass das Problem nicht die mangelnde Qualifikation von Frauen in Palästina sei, sondern die mangelnden Möglichkeiten, die die Frauen dort haben.
Es war sehr eindrucksvoll, die Berichte dieser verschiedenen Frauen zu hören, zeigen sie doch, wie komplex die Probleme in dieser Region sind
, sagte Elke Büdenbender. Den vielen Menschen, denen wir auf dieser Reise begegnet sind, wünsche ich weiterhin so viel Mut und Tatkraft, sich für den Frieden in ihrer Heimat einzusetzen. Ihr Tun hat mich sehr beeindruckt und verdient meinen tiefen Respekt.