Gegenseitige Abhängigkeit der Verfassungsorgane
Der Bundespräsident soll gegenüber anderen Organen möglichst unabhängig, insbesondere nicht verantwortlich im parlamentarischen Sinne sein und eine ausgleichende Stellung haben (Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 10. Juni 2014 - 2 BvE 2/09, 2 BvE 2/10).
Gleichwohl können in einem komplexen Staat wie der Bundesrepublik Deutschland die Verfassungsorgane nicht isoliert nebeneinander agieren. Ihre Funktionen sind aufeinander abgestimmt. Um sie sachgemäß wahrnehmen zu können, bedarf es der gegenseitigen Unterrichtung und des Zusammenwirkens. Der Bundespräsident pflegt vielfältige Kontakte mit den anderen Verfassungsorganen.
Bundestag
Berührungspunkte zum Deutschen Bundestag bestehen schon deshalb, weil der Bundespräsident nach dem Grundgesetz u.a. das Recht bzw. die Aufgabe hat,
- dem Bundestag einen Kanzlerkandidaten zur Wahl vorzuschlagen (Art. 63. Abs. 1 GG),
- gegebenenfalls den Bundestag aufzulösen, wenn ein Kanzlerkandidat im Falle des Art. 63 Abs. 4 GG nicht die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages auf sich vereinigen kann oder der Bundeskanzler mit einer Vertrauensfrage im Parlament scheitert (vgl. Art. 68 GG),
- die Einberufung des Bundestages zu verlangen (Art. 39 Abs. 3 Satz 3 GG),
- für einen Gesetzesvorschlag der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates den Gesetzgebungsnotstand zu erklären (Art. 81 Abs. 1 Satz 1 GG).
Im Übrigen trifft der Bundespräsident Bundestagsabgeordnete zu Gesprächen und empfängt das Präsidium sowie die Ausschüsse des Deutschen Bundestages zu Gesprächen. Durch derartige Begegnungen wird der Bundespräsident aus erster Hand informiert und es besteht die Möglichkeit zum Gedankenaustausch und zur Diskussion. Nur in Ausnahmefällen nimmt der Bundespräsident an Sitzungen des Deutschen Bundestages teil.
Bundesrat, "Vertretung" des Bundespräsidenten
Besondere Beziehungen zum Bundesrat ergeben sich daraus, dass dessen Präsident nach Art. 57 GG die Befugnisse des Bundespräsidenten im Falle seiner Verhinderung (Staatsbesuch im Ausland, längere Krankheit, Urlaub) oder bei vorzeitiger Erledigung des Amtes (Rücktritt) wahrnimmt.
Der Bundesratspräsident nimmt in diesem Zeitraum die Befugnisse des Bundespräsidenten wahr. Gerade im – häufigsten – Falle eines Staatsbesuches im Ausland handelt es sich allerdings nicht um eine vollständige Vertretung. Denn der Bundespräsident ist ja gerade in seiner amtlichen Funktion abwesend. In diesen Fällen vertritt
der Bundesratspräsident den Bundespräsidenten immer nur soweit, als im Inland persönliche Anwesenheit erforderlich ist oder etwa Urkunden zu vollziehen sind. Der Bundespräsident ist aber auch vom Ausland aus nicht gehindert, zum Beispiel Glückwünsche zu übermitteln oder zu kondolieren.
Bundesregierung
Der Bundespräsident wirkt an der Bildung der Bundesregierung mit und hält enge Verbindung zu ihr. In regelmäßigen Abständen empfängt der Bundespräsident den Bundeskanzler zu Gesprächen über aktuelle Fragen seiner Politik. Auch einzelne Bundesminister und Spitzenbeamte werden vom Bundespräsidenten zu Gesprächen empfangen. Der Chef des Bundespräsidialamtes oder sein Vertreter nehmen an den Kabinettsitzungen teil und unterrichten den Bundespräsidenten über deren Verlauf und Ergebnisse. Auch dadurch erhält der Bundespräsident die für seine Amtsführung erforderlichen Informationen.
Gegenzeichnung
Anordnungen und Verfügungen des Bundespräsidenten bedürfen nach Artikel 58 Satz 1 GG zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung durch den Bundeskanzler oder durch den zuständigen Bundesminister.
Das Erfordernis der Gegenzeichnung soll eine einheitliche Staatsführung garantieren. In diesem Sinne ist es nur selbstverständlich, dass der Bundeskanzler den Bundespräsidenten laufend über seine Politik und die Geschäftsführung der einzelnen Bundesminister durch Übersendung der wesentlichen Unterlagen, durch schriftliche Berichte über Angelegenheiten von besonderer Bedeutung sowie nach Bedarf durch persönlichen Vortrag unterrichtet.
Bundesverfassungsgericht
Zum Bundesverfassungsgericht ergeben sich ebenfalls Berührungspunkte:
Die Richter erhalten aus der Hand des Bundespräsidenten ihre Ernennungs-, Entlassungs- oder Ruhestandsurkunden. Bei Antritt ihres Amtes haben sie vor dem Bundespräsidenten den nach § 11 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht vorgesehenen Eid zu leisten. Darüber hinaus ist es üblich, dass der Bundespräsident das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe besucht und mit den Mitgliedern beider Senate den Gedankenaustausch sucht.