Jubiläumsveranstaltung 10 Jahre Bellevue-Stipendium

Schwerpunktthema: Rede

Schloss Bellevue, , 12. September 2014

Bundespräsident Joachim Gauck hat am 12. September bei der Jubiläumsveranstaltung anlässlich 10 Jahre Bellevue-Stipendien-Programm eine Rede gehalten: "Die Stipendiaten begegnen Kollegen aus anderen europäischen Ländern und lernen deren Arbeitsweise kennen, und sie bringen dann wertvolle Erfahrungen mit in ihre Heimatbehörden, wenn sie zurückkommen."

Bundespräsident Joachim Gauck im Gespräch mit Bellevue-Stipendiaten bei der Jubiläumsveranstaltung anlässlich 10 Jahre Bellevue-Stipendien-Programm im Langhanssaal

Ich heiße Sie alle ganz herzlich willkommen hier im Schloss Bellevue.

Wir feiern heute einen runden Geburtstag, zehn Jahre immerhin. Wir wollen ganz bewusst innehalten und daran denken, zehn Jahre gibt es das Bellevue-Stipendium nun schon – ins Leben gerufen als gemeinsame Initiative der Robert-Bosch-Stiftung und des Bundespräsidenten.

Ich will an dieser Stelle sagen, dass der Bundespräsident sich darüber freut, wenn private Stiftungen mit ihm kooperieren. Und die Robert-Bosch-Stiftung tut das seit langem, wir sind sehr dankbar dafür. Aber auch andere große Stiftungen sind mit uns verbündet, zum Beispiel gibt es seit vielen Jahren den Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten oder den Wettbewerb Jugend debattiert. Und es ist für jeden Bundespräsidenten eine große Freude, dass es diese Unterstützung und diese Kooperation gibt.

Ich sagte eben: zehn Jahre! Die Zahl zehn spielt noch eine andere Rolle bei unserem Treffen heute. Denn mit Griechenland wird das zehnte Land diesem Stipendium beitreten. Und wir freuen uns natürlich sehr, dass es damit gelingt, dieses Programm noch etwas stärker ins europäische Bewusstsein einzubringen, jedenfalls in die Verwaltungen Europas.

Ich begrüße Sie alle als Vertreterinnen und Vertreter der Partnerländer. Ich freue mich über diese bunte Mischung hier heute Vormittag im Schloss Bellevue. Und ich freue mich sehr, verehrter Herr Präsident, dass wir uns hier wiedertreffen können nach meinem wunderbaren Staatsbesuch in Ihrem Land im März. Das war ein Besuch, der bei mir und meiner Delegation einen ganz besonders tiefen Eindruck hinterlassen hat. Es bedeutet mir viel, dass wir die Freundschaft, die wir dort geknüpft haben, fortsetzen können, dass wir in Kontakt bleiben und dass wir so zeigen, dass wir miteinander auch durch harte Zeiten gemeinsam gehen wollen.

Lieber Herr Professor Rogall, ich will Ihnen als Geschäftsführer der Robert-Bosch-Stiftung ganz ausdrücklich sagen, wie wichtig uns Ihre Unterstützung ist. Es sind nicht nur die Finanzen, sondern es muss auch ein Geist da sein, der sich bewusst macht, dass nicht allein die staatlichen Institutionen, sondern Bürger und Bürgervereinigungen und Unternehmen Verantwortung übernehmen über ihren engeren Bereich hinaus. Herzlichen Dank dafür.

Und wenn wir an die Geschichte dieses Programms denken, dann will ich nicht versäumen, Herrn Botschafter Hasso Buchrucker und Herrn Botschafter Friedrich Gröning als außenpolitische Berater zu erwähnen. Wir brauchen solche Beratung und Unterstützung und ich spreche Ihnen ausdrücklich meinen Dank aus.

Nicht zuletzt begrüße ich Sie, die Stipendiatinnen und Stipendiaten, liebe Alumnae und Alumni! Es ist schön, Sie heute hier zu sehen – und damit so etwas wie eine Auswahl des künftigen europäischen Führungspersonals hier im Hause zu haben. Sie alle haben in dem einen oder anderen europäischen Land gewirkt und der aktuelle Jahrgang hat diese Erfahrung noch vor sich. Was man als Bellevue-Stipendiat alles erleben kann, das müsste man eigentlich einmal aufschreiben – all die Überraschungen, die man erlebt, all die Entdeckungen, die man macht in einer Verwaltung, die einem bislang fremd war. Gleich wird uns Telma Branco von ihren Erfahrungen berichten, sie kommt aus Portugal und war ein Jahr in Frankreich.

Wir alle wissen: Im Zuge der europäischen Einigung hat sich auch die Arbeit der Verwaltungen stark geändert. Viele öffentliche Verwaltungen stehen vor großen Herausforderungen. Und heute, in Zeiten gemeinsamer Politik, auch mehr und mehr gemeinsamen Rechts, da ist es schon sinnvoll, dass die Behörden der unterschiedlichen Länder sich ihr Vorgehen erklären, dass sie sich abstimmen und letztlich über Grenzen hinweg harmonieren. Das wird besser gelingen, wenn die Kolleginnen und Kollegen sich kennenlernen und wenn sie eine gemeinsame Sprache sprechen, wenn sie sich vertrauen und wissen, dass sie sich aufeinander verlassen können.

Und genau hier setzt das Bellevue-Programm an. Die Stipendiaten begegnen Kollegen aus anderen europäischen Ländern und lernen deren Arbeitsweise kennen, und sie bringen dann wertvolle Erfahrungen mit in ihre Heimatbehörden, wenn sie zurückkommen.

Wir wollen eben, dass Verständnis und Vertrauen wachsen, und zwar nicht nur wir, das Bundespräsidialamt und die Robert-Bosch-Stiftung. Sie dürfen davon ausgehen, dass die beteiligten Regierungen das auch wollen. Sie erhalten also, liebe Stipendiatinnen und Stipendiaten, Rückenwind von der politischen Klasse. Und ich will mich als älterer Herr, Sie alle sind im Alter meiner Enkelkinder, noch einmal für Ihren Eifer, Ihr Engagement und Ihre Mühe bedanken. Das ist schon sehr, sehr stark, was Sie geleistet haben, um in dieses Programm zu kommen. Sie sind ja sorgfältig ausgewählt worden und es gab Mitbewerber.

Nun lassen Sie mich noch ein wenig auf Europa schauen. Unser Bellevue-Programm ist ja eine sehr harmonische Veranstaltung. Alle meinen es gut miteinander und wir haben eine gemeinsame Absicht, die alle akzeptieren. Sie kommen aber bei Ihrer Arbeit in den unterschiedlichsten öffentlichen Verwaltungen in Europa unter Umständen auch in ein Klima, in dem gerade konfliktträchtige Debatten stattfinden. Übrigens auch zwischen unseren Ländern. Sie leben ja nicht nur in der öffentlichen Verwaltung, Sie sind auch politische Menschen und haben mitunter eine sehr starke Antenne dafür, was gerade an Irritationen entsteht. Und das besonders in einer Phase, in der in Europa populistische Strömungen existieren, die die europäische Idee ablehnen, in der in unseren jeweiligen Ländern mitunter solche Bewegungen erstarken. Dann ist es natürlich wichtig, dass Sie dabei bleiben, was Sie einst motiviert hat, in so ein Programm einzutreten.

Wir wollen einander verstehen, wir wollen voneinander lernen. Wir wollen die Kultur und Mentalität der anderen nebenbei auch erfassen. Das ist wichtig, um Verständnis für die jeweils anderen in Europa wachzuhalten und am besten auch zu fördern. Wir wissen, dass wir in Europa verschieden sind. Und wenn wir auf dieses Europa schauen, auf seine Verträge, auf seine Struktur in der Europäischen Union, dann ist es eine Tatsache, dass der europäische Geist sich ausgebreitet hat und politikmächtig geworden ist. Das muss man sich manchmal klarmachen, wenn man die neuen partikularistischen und neonationalistischen Bewegungen in unterschiedlichen europäischen Ländern anschaut. Also lassen Sie sich nicht entmutigen, wenn Sie gerade in einer öffentlichen Verwaltung miterleben, dass es auch starke Kritik gibt an Europa, an seiner Vereinigung oder an der Art und Weise, wie gerade europäische Politik gemacht wird.

Wir wollen gerade in solchen Zeiten die Kooperation unserer Behörden stärken. Wir wollen auch im öffentlichen Bewusstsein klarmachen, dass unsere Behörden in den verschiedenen Mitgliedsstaaten der EU nicht gegeneinander arbeiten, sondern dass sie sich sinnvoll ergänzen. Und da können Erfahrungen, wie Sie sie machen, hilfreich sein. Und besonders sind sie hilfreich, wenn sie über das, was Sie gelernt haben, zu Hause nicht schweigen.

Also, ich möchte, dass wir uns gerade in schwierigen Zeiten bewusst machen, in Zeiten wie diesen also, dass wir entschlossen zusammen stehen.

Während meines Staatsbesuches in Griechenland haben wir zwei gute Instrumente besprochen, die unsere Länder vereinen und die unsere griechisch-deutschen Beziehungen vertiefen sollen, und ich freue mich deshalb, dass wir heute gemeinsam Vorhaben in Gang setzen, die dieser Tendenz folgen.

Ich spreche zum Einen über den deutsch-griechischen Zukunftsfonds, eine Initiative, hinter der ein doch durchaus selbstbewusstes Bekenntnis steht: Wir sind bereit, unsere Zukunft gemeinsam zu gestalten, ohne dabei die Vergangenheit aus dem Blick zu verlieren – eine Vergangenheit, in der Deutschland in der Zeit des Nationalsozialismus schweres Leid über Griechenland gebracht und schwere Verbrechen begangen hat.

Dieser Zukunftsfonds wird deshalb unter anderem Kontakte zu Opfergemeinden in Griechenland herstellen und fördern, auch zu jüdischen Einrichtungen. Ich war froh, während meines Besuches auch in einer jüdischen Gemeinde Gast sein zu können. Und was er auch noch tun wird, der Zukunftsfonds: Er soll die wissenschaftliche Aufarbeitung unserer gemeinsamen Geschichte fördern. Die ersten beiden über diesen Fonds finanzierten Veranstaltungen finden dieser Tage statt: ein philosophisches Symposium und ein Workshop für Journalisten. Ich begrüße alle Teilnehmer dieser beiden Veranstaltungen, die heute hier im Saal sind; ich freue mich, dass Sie hier heute teilnehmen.

Das zweite Instrument, lieber Herr Präsident, über das wir im März sprachen, das ist das deutsch-griechische Jugendwerk. Und ich freue mich ganz besonders, dass heute der Grundstein für dieses bedeutsame Projekt gelegt wird. Nachher wird Frau Bundesministerin Schwesig zu uns kommen und Sie, Herr Botschafter, werden mit ihr zusammen hier im Schloss die Absichtserklärung unterzeichnen, die der Errichtung eines solchen griechisch-deutschen Jugendwerkes vorangehen wird. Ich wünsche mir, dass dieses Jugendwerk eine ähnliche Bedeutung erlangt wie das deutsch-polnische oder das deutsch-französische.

Das ist leichter gesagt als getan. Denn als das deutsch-polnische und das deutsch-französische Jugendwerk erreichtet wurden, gab es in der deutschen Gesellschaft noch eine breite Erfahrungsgrundlage dafür, was die Vorgängergeneration angerichtet hatte. Inzwischen gibt es eine europäische Normalität, die eine andere Startsituation geschaffen hat als die, die einst die Väter und Mütter des deutsch-französischen und deutsch-polnischen Jugendwerkes vorgefunden haben.

Ich glaube, wir brauchen deutliche Unterstützung auch aus der Zivilgesellschaft, um diesem neu zu schaffenden Werk die Bedeutung zu geben, die die anderen Jugendwerke haben. Und ich will noch einmal sagen: Das ist keine Institution, die wir generell mit vielen verschiedenen Ländern gründen, sondern es gibt bislang nur zwei Einrichtungen dieser Art: das deutsch-polnische und das deutsch-französische Jugendwerk. Und deshalb ist dies ein besonderer Fokus, den wir auf die deutsch-griechischen Beziehungen legen, wenn wir jetzt gemeinsam dieses Jugendwerk errichten. Ich wünsche mir, dass es Bedeutung erlangt, dass es angenommen wird von den Jugendlichen in unseren Staaten – und dass die Politiker nicht daran vorbeigucken, sondern es kräftig fördern.

So feiern wir heute den zehnten Geburtstag des Bellevue-Stipendiums. Und wir feiern ihn mit besonderer Freude in Ihrer Gegenwart, Herr Präsident, Frau Papoulia. Und ich freue mich, dass wir hinterher, wenn wir etwas lockerer zusammenstehen können, uns auch noch ein wenig von unseren ganz persönlichen Erfahrungen erzählen können. Ich danke Ihnen allen, dass Sie gekommen sind und heiße Sie noch einmal aufs Herzlichste willkommen.