Vor drei Tagen war der Internationale Freiwilligentag. Er bietet jedes Jahr den Anlass, Bürgerinnen und Bürger, die sich auf unterschiedlichste Weise bürgerschaftlich engagieren, mit dem Verdienstorden unseres Landes auszuzeichnen.
Die Jahreszeit legt nahe, auf die vergangenen zwölf Monate zurückzublicken und eine Bilanz zu ziehen. Und ich meine, wir können insgesamt auf ein gutes Jahr zurückschauen: Wir blicken auf einen schönen Sommer, in dem ein Fußballmärchen wahr wurde und sich die Deutschen der ganzen Welt als eine fröhliche, weltoffene Nation zeigten und auch als gute Gastgeber. Wir sehen eine gute wirtschaftliche Entwicklung, und was besonders wichtig ist: die Arbeitslosigkeit geht zurück. Und endlich sind auch die Themen Familie, Bildung und Integration fest auf der politischen und gesellschaftlichen Tagesordnung. Sicher, es bleibt noch viel zu tun, aber es ist in unserem Land vieles zum Besseren in Bewegung gekommen. Und daran haben auch Sie, liebe Engagierte, Ihren Anteil.
Unser Land wäre um vieles ärmer ohne seine "Ehrenämtler", ohne die Frauen und Männer, Erwachsene wie Jugendliche, die sich freiwillig für die Belange Ihrer Mitmenschen und für ein gutes Miteinander engagieren. Es ist nicht vorstellbar, wie unser Gemeinwesen ohne Sie funktionieren sollte.
Sie alle haben ihre ganz persönlichen Gründe, warum sie sich einsetzen für andere. Die Geschichten Ihres Engagements sind also vielfältig. Sie reichen von "B" wie "Berufsbildung" oder "Blindenhilfe" bis "V" wie "Volunteer-Programm bei der Fußball-Weltmeisterschaft" oder "Volkstanz". Doch so unterschiedlich Ihre Tätigkeitsfelder sind, Sie haben alle eines gemeinsam:
Sie haben angepackt, Sie haben Verantwortung übernommen. Sie haben etwas getan. Das alles getreu dem bekannten Wort von
Erich Kästner: "Es gibt nichts Gutes, außer man tut es." Und dieses "Gute tun" Sie freiwillig und unbezahlt - oft neben Ihrer Berufstätigkeit oder neben anderen Verpflichtungen in der Familie. Ich glaube, wenn es etwas gibt, was ehrenamtlich engagierte Bürgerinnen und Bürger besonders auszeichnet, dann ist es die Tatsache, dass sie nicht gleichgültig gegenüber dem sind, was um sie herum passiert. Sie sind aufmerksam. Ihr Einsatz, meine Damen und Herren, ist auch ein Bekenntnis zur Gemeinschaft, in der Sie - in der wir alle gemeinsam - leben. Sie tun mehr, als Sie müssten; Sie tragen zu einem Klima bei, das unser Land menschlich, lebenswert und auch liebenswert macht. Das ist alles gar nicht selbstverständlich und dafür danke ich Ihnen heute ganz herzlich.
Engagement entsteht meistens durch persönliche Betroffenheit, durch Nähe zu dem Thema, für das man sich einsetzt. Viele Menschen fangen oft jung an, sich zu engagieren, und bleiben ihr Leben lang dabei, neben Beruf und Familie. Jahrzehnte später ist es oft ein "Unruhestand", in dem sie aktiv bleiben. Das tut dem Einzelnen gut. Und es tut unserer Gesellschaft insgesamt gut.
Ausländische Freunde sagen mir manchmal: "Ihr Deutschen definiert Euch vor allem über das, was Ihr seid - also: 'Montagearbeiter?, 'Lehrerin?, 'Bankdirektor?. Wir dagegen fragen zuerst danach, was jemand macht - also: 'Autos zusammenbauen?, 'Kinder unterrichten?, 'Bankkonten verwalten?." Ich glaube, diese Beobachtung hat - bei aller Übertreibung - einen wahren Kern. Denn wenn wir uns fragen: "Was hat Bestand in unserem Leben?" dann stellen wir fest, dass sich unser Selbstwertgefühl vor allem aus dem speist, was wir tun. Sie, liebe Ehrenamtliche, sind dabei ein gutes Vorbild.
Wenn Sie sich freiwillig einsetzen, dann tun Sie nicht nur etwas für andere, sondern auch für sich selbst: Sie pflegen soziale Kontakte, Sie gestalten Ihr Umfeld nach Ihren Vorstellungen. Sie gewinnen aus Ihrer Tätigkeit Freude und Lebenssinn. Ich finde, dass man darauf gar nicht deutlich genug hinweisen kann. Lange Zeit haben wir uns eingeredet, dass Engagement nur dann gut ist, wenn es dem Klischee des "selbstlosen Dienstes an der Gemeinschaft" entspricht. Aber genau darin liegt vielleicht ein Denkfehler: Wer sich engagiert, handelt nicht selbstlos, sondern ausgesprochen selbstbewusst, denn er will Ziele erreichen und etwas bewegen. Und außerdem wirkt die Freude am eigenen Tun motivierend - auf einen selbst, vor allem aber auch auf andere. Schon die Bibel weist darauf hin, dass Selbst- und Nächstenliebe zusammengehören. So ist es auch beim ehrenamtlichen Engagement.
Sie, liebe ehrenamtlich Engagierte, sind der Beleg, dass es in unserer Gesellschaft viel mehr Gutes gibt, als man bei einem täglichen Blick in die Medien, die Zeitung oder in das Fernsehen vielleicht manchmal meinen könnte. Dort, z. B. in Talkshows, bekommen wir oft Redewendungen zu hören wie "man sollte, man müsste, man hätte sollen". Das sind oftmals rhetorisch ausgefeilte Vorschläge von Menschen, die viele gute Ratschläge parat haben - aber mich beschleichen manchmal Zweifel daran, ob diese ihren eigenen Rat selbst so recht befolgen. Andernfalls müsste es nämlich heißen: "Ich tue, ich werde das tun, ich habe das gemacht".
Sie, liebe Gäste, können das mit Stolz von sich behaupten. Sie handeln nicht im Konjunktiv oder in Gestalt von Empfehlungen an Dritte, sondern Sie haben angepackt. Sie machen es. Ich wünsche mir, dass das gute Beispiel, das sie geben, noch viel mehr Beachtung findet - auch in den Medien. Denn Vorbilder können nur wirken, wenn man sie sieht. Und deshalb bitte ich auch immer die Medien. Berichten Sie auch über dieses Gute.
Von dem französischen Schriftsteller Voltaire ist der Satz überliefert: "Anerkennung bewirkt, dass das Hervorragende an den anderen auch zu uns gehört." Heute erfahren Sie die Anerkennung unseres Landes, indem Sie den Verdienstorden verliehen bekommen. Und damit das Hervorragende an Ihnen auf uns alle wirken kann, bitte ich Sie: Tragen Sie Ihren Orden. Mir ist es eine Ehre, Ihnen diesen Orden verleihen zu können. Es ist schön für mich, Sie auszuzeichnen, weil Sie es verdienen und weil wir auf Ihre Vorbilder angewiesen sind. Herzlichen Dank.