Bundespräsident Joachim Gauck hat dem Präsidenten der Tschechischen Republik, Václav Klaus, am 8. Juni 2012 aus Anlass des 70. Jahrestags der Auslöschung der Dörfer Lidice und Ležáky folgendes Schreiben übermittelt:
„Sehr geehrter Herr Staatspräsident,
die Tschechische Republik gedenkt in diesen Tagen der Auslöschung der Dörfer Lidice und Ležáky, der Erschießung ihrer männlichen Einwohner und der Verschleppung und Ermordung ihrer Frauen und Kinder. Ich möchte Ihnen und dem tschechischen Volk versichern, dass wir Ihren Schmerz um die Opfer teilen und mit den Überlebenden fühlen, von denen einige noch unter uns sind.
Zugleich ist der 70. Jahrestag des mutigen Attentats auf Hitlers Statthalter in Prag und einen der Hauptverantwortlichen für den Holocaust, Reinhard Heydrich, ein wichtiger Tag des Gedenkens. Für den Tod Reinhard Heydrichs nahm das NS-Regime grausame Rache, der unzählige Menschen zum Opfer fielen.
Die brutalen Massaker von Lidice und Ležáky haben sich in das kollektive Gedächtnis der Menschheit eingebrannt. Wir werden die unbarmherzigen Verbrechen und das unsagbare Leid, das Deutsche den Männern, Frauen und Kindern von Lidice und Ležáky angetan haben, nie vergessen. Und wir werden auch den Mut von Jozef Gabčík, Jan Kubiš, Adolf Opálka, Josef Valčík, Jan Hrubý, Jaroslav Švarc, Josef Bublík und ihrer Helfer in unserem Andenken bewahren. Ihr Leben und ihr Widerstand gegen Besatzung und brutale Diktatur können Ermutigung für unser eigenes Leben sein. Die Welt braucht Vorbilder wie sie.
Herr Präsident, der Gedanke an die menschenverachtenden Terrorakte von Lidice und Ležáky erfüllt mich mit tiefer Betroffenheit und Scham. Deutschland ist sich seiner geschichtlichen Verantwortung bewusst. Eine Wiederholung von Krieg und Terror zu verhindern, muss deshalb stets oberstes Gebot jedweden politischen Handelns bleiben.
Die verbrecherische Absicht des nationalsozialistischen Terrorregimes, darüber hinaus auch noch die Namen der Ortschaften aus dem Gedächtnis zu tilgen, ging nicht in Erfüllung. Lidice lebt weiter. Weltweit gaben sich Ortschaften den Namen Lidice, Künstler wie Bohuslav Martinů oder Heinrich Mann nahmen sich des Martyriums von Lidice an und hielten die Erinnerung an das Schicksal der Opfer aufrecht.
Dass die nackte Gewalt nicht das letzte Wort behielt, gibt uns Hoffnung.
Die von Deutschland ausgehenden Schrecken des Zweiten Weltkriegs haben tiefe Wunden hinterlassen. Aber wir sind auch zuversichtlich, denn Deutsche und Tschechen sind heute Partner und Freunde in einem freien und vereinten Europa, das sich Menschenrechten und Freiheit verpflichtet fühlt. Dafür sind wir zutiefst dankbar. Ich hege die Hoffnung, dass uns das gemeinsame Erinnern an die Ereignisse vor 70 Jahren noch weiter zusammenführt.“